Revidierte Interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen

Elektronische Angebote

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Die revidierte IVöB erlaubt ausdrücklich elektronische Angebote.

Elektronische Angebote

Bereits bisher schrieben viele Auftraggeber vor, dass die Angebote ganz oder teilweise elektronisch einzureichen sind, um ihre Auswertung zu vereinfachen. Die revidierte IVöB sieht das nun ausdrücklich vor.

Zusammenfassung
Der Auftraggeber bestimmt, ob die Angebotseingabe elektronisch erfolgen kann oder muss. Er muss die dafür zu verwendende Form und Methode festlegen. Einen nationalen Standard dafür gibt es noch nicht. Ab 2023 soll die nationale Beschaffungsplattform simap.ch mit entsprechenden Funktionen ausgestattet werden.

Entscheid des Auftraggebers
Ob die elektronische Eingabe zulässig ist, legt der Auftraggeber in der Ausschreibung oder den Ausschreibungsunterlagen fest. Tut er das nicht, sind elektronische Angebote unzulässig. Sie sind diesfalls zur korrekten Neueinreichung zurückzuweisen, soweit das während der Angebotsfrist noch möglich ist. Der Auftraggeber kann im Rahmen seiner Kompetenz zum Festlegen der Formvorgaben für die Angebote die elektronische Einreichung auch zwingend vorschreiben.

Der Auftraggeber ist nicht an Bestimmungen des kantonalen Verwaltungsverfahrensrechts gebunden, die für die Einreichung von Eingaben in Verwaltungsverfahren ggf. die Papierform oder eine besondere elektronische Form vorschreiben. Denn Art. 34 revIVöB geht diesen Bestimmungen als übergeordnetes und besonderes Recht vor.

Form und Methode
Der Auftraggeber muss die Form und Methode der elektronischen Eingabe vorgeben. Dafür gibt es noch keinen nationalen Standard. Ab 2023 soll die nationale Beschaffungsplattform simap.ch mit entsprechenden Funktionen ausgestattet werden. Bis dann ist Folgendes zu beachten:

  • Die Methode muss sicher sein. Dies, weil die mit ihr übermittelten Angebote schützenswerte Geschäftsgeheimnisse enthalten. Die Übermittlung als unverschlüsselte E-Mail ist unsicher, weil solche E-Mails von Dritten gelesen werden können. Sie eignet sich daher höchstens als Methode für die freiwillige elektronische Eingabe, nicht aber für die vorgeschriebene. Sicherere Methoden sind die Eingabe über verschlüsselte E-Mail oder über eine sichere Webapplikation. Wird eine spezielle Software eingesetzt, ist auch sicherzustellen, dass der Betreiber der Software die Angebote vertraulich behandelt und allfällige Interessenkonflikte vermeidet.
  • Der Auftraggeber muss die Identität des Anbieters angemessen verifizieren. Dies, weil das Angebot Rechtswirkungen für den Anbieter auslöst. Als Identifikationsmethoden kommen anerkannte elektronische Signaturen oder eine Anmeldung mit einem sicheren Identifikationsverfahren (wie die geplante E-ID) in Frage, oder ggf. auch eine Verifikation per Telefon oder auf anderem Weg. 

Elektronische Auktionen

Die elektronische Auktion ist neu in Artikel 23 IVöB geregelt. Es handelt sich dabei nicht um ein eigenständiges Vergabeverfahren, sondern um ein Instrument, welches im Rahmen eines Beschaffungsverfahrens eingesetzt werden kann. Der Anwendungsbereich der elektronischen Auktion erstreckt sich nur auf standardisierte Leistungen. Andere Leistungen (wie z.B. intellektuelle Dienstleistungen) können somit nicht Gegenstand einer elektronischen Auktion sein.

Auswirkungen auf die Praxis

Weil die elektronische Angebotseingabe aus Sicherheitsgründen in der Regel den Einsatz besonderer Technologien voraussetzt, die noch nicht national standardisiert sind, ist damit zu rechnen, dass sie vorerst weiterhin nur punktuell durch spezialisierte Auftraggeber eingesetzt wird, die über die entsprechenden Mittel und Erfahrungen verfügen. Dasselbe gilt für elektronische Auktionen. Mit der geplanten Einführung einer elektronischen Angebotseingabelösung bzw. elektronischen Auktionen in simap.ch ab 2023 ist zu hoffen, dass die elektronische Angebotseingabe vermehrt zum Normalfall wird.


Dialog

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Die Bestimmungen zum Dialog finden sich in Artikel 24 revIVöB.

Erläuterung

Wann das Instrument des Dialogs angewendet wird
Bei komplexen Aufträgen, bei intellektuellen Dienstleistungen oder bei der Beschaffung innovativer Leistungen ist es oft nicht möglich, schon vor der Ausschreibung den Inhalt der Beschaffung in einem Leistungsbeschrieb genügend präzise zu umschreiben und abzugrenzen. In diesem Fall kann das Instrument des Dialogs gewählt und im offenen und selektiven Verfahren eingesetzt werden. Das Instrument des Dialogs war bisher nur beim Bund vorgesehen.

Vorteile des Dialogverfahrens
Der Auftraggeber kann im Dialog zusammen mit ausgewählten Anbietern mögliche Lösungswege oder Vorgehensweisen erarbeiten, so dass am Ende des Dialogs eine Leistungsbeschreibung vorliegen sollte, die den Ansprüchen des Auftraggebers ebenso wie dem Können und Vermögen der Anbieter angemessen Rechnung trägt. Der Auftraggeber hat damit ein Instrument in der Hand, mit dem er auf das spezifische Fachwissen der Anbieter in einem konkreten Beschaffungsmarkt zurückgreifen und Innovationen fördern kann. So können Verfahrensabbrüche und Neuausschreibungen vermieden werden. Für die Anbieter hat der Dialog den Vorteil, dass sie ihre Angebote zu Beginn des Vergabeverfahrens nicht bis ins letzte Detail, sondern in einem fortlaufenden Prozess konkretisieren können.

Als Beispiel für eine solche komplexe Aufgabe, deren Rahmenbedingungen nicht im Voraus bestimmt werden können, ist die Umnutzung einer Industriebrache mit unbekannter künftiger Nutzung und vielen beteiligten Eigentümern zu nennen.

Keine Preisverhandlungen zulässig
Bei speziellen Verfahren wie dem Dialog kann es vorkommen, dass der Leistungsgegenstand untergeordnete Anpassungen erlebt. In solchen Fällen ist in der Regel eine neue Preisofferte angezeigt, um die Änderungen auch finanziell abzubilden. Jedoch sind Verhandlungen über Preise und Gesamtpreise beim Dialog unzulässig. Damit sollen Nachverhandlungen beim Preis ausdrücklich ausgeschlossen werden.

Wie läuft ein Dialogverfahren ab?
In einem ersten Schritt kündigt der Auftraggeber das Dialogverfahren in der Ausschreibung an. Daraufhin kann jeder Anbieter seinen Lösungsweg oder Vorgehensweise einreichen. Anschliessend werden bilaterale Gespräche mit ausgewählten Anbietern geführt. Der Auftraggeber stützt sich dabei auf deren Lösungen und Vorschläge ab. Im letzten Schritt entscheidet sich der Auftraggeber für einen – möglicherweise angepassten Lösungsansatz, auf dessen Basis die Anbieter ihr Angebot einreichen.

Mögliche Auswirkungen auf die Praxis

Das Dialogverfahren stellt die Qualität ins Zentrum und ist ein hilfreiches Instrument, wenn es um die Beschaffung von im Voraus schwer zu definierenden Leistungen geht (z.B. komplexe Aufträge, intellektuelle Dienstleistungen, Beschaffungen innovativer Leistungen). Es setzt eine hohe Bereitschaft der Anbieter voraus, sich am Verfahren zu beteiligen und eine Lösung im partnerschaftlichen Dialog zu erarbeiten. Bis der Sieger des Verfahrens bestimmt ist, werden mehrere Lösungen vorerst mit allen qualifizierten Anbieter besprochen und entwickelt. Zwar muss der Auftraggeber zu Beginn des Verfahrens bekannt geben, ob und wie die Teilnahme am Dialog entschädigt wird. Ohne die zumindest teilweise Vergütung der geleisteten Arbeiten – auch von denjenigen, welche nie zur Anwendung kommen werden – wird dieses Instrument jedoch nur marginal zum Tragen kommen.

Ferner sind beim Dialog auch die Vertraulichkeit jeder Entwicklung sowie die Transparenz des Verfahrens und die Gleichbehandlung aller Anbieter zu wahren.

Kanton Bern

Das bernische Recht konkretisiert die Vorgaben zum Dialog und gibt die Mindestanzahl der Dialogpartner, Bestimmungen zur Dialogvereinbarung sowie zur Vertraulichkeit während des Verfahrens vor (Art. 8 IVöBV).

Da das Dialogverfahren den Anbietern einen erheblichen Mehraufwand verursachen kann, muss sich der Auftraggeber fragen, ob der Aufwand zu entschädigen ist. Im Falle einer Entschädigung sind die Höhe und Modalitäten im Einzelfall vom Auftraggeber zu bestimmen (Art. 10 Abs. 2 IVöBV). Er gibt diese in den Ausschreibungsunterlagen bekannt. Tut er dies nicht, gilt nach wie vor die Regel, dass keine Entschädigung geschuldet ist (Art. 10 Abs. 1 IVöBV).


Rahmenverträge

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Das Konstrukt der Rahmenvertragsausschreibungen wurde in der bisherigen IVöB nicht erwähnt, von der Praxis aber schon länger angewendet. Neu gibt es in Art. 25 revIVöB eine explizite Regelung zum Rahmenvertrag mit einem Zuschlagsempfänger oder mit Mehrfachzuschlag.

Erläuterung

Der Abschluss von Rahmenverträgen ist kein eigenes Verfahren, sondern kann innerhalb der bestehenden Beschaffungsverfahren erfolgen. Auch wenn das Instrument des Rahmenvertrages einige Flexibilität für die Vergabestelle mit sich bringt, so wird doch durch die Vereinbarung klar gefordert, dass zumindest die Dauer des Rahmenvertrages sowie die (maximalen) Preise festzulegen sind. Um belastbare Preise zu erhalten, ist auch der Vertragsgegenstand möglichst konkret und umfassend zu definieren.

Die Vereinbarung unterscheidet zwischen dem Rahmenvertrag mit einem Zuschlagsempfänger (vgl. Art. 25 Abs. 4 revIVöB) und demjenigen mit mehreren (vgl. Art. 25 Abs. 5 revIVöB). Beim Rahmenvertrag mit Mehrfachzuschlag werden bspw. drei Zuschläge erteilt und mit allen drei Zuschlagsempfängern Rahmenverträge über die gleichen Leistungen abgeschlossen. Welcher der drei Rahmenvertragspartner im Bedarfsfall die Leistung erbringt und Partner eines Einzelvertrages wird, entscheidet der Auftraggeber im Einzelfall gemäss den Regeln des Rahmenvertrages.


Die neue Vereinbarung hält fest, dass gegen den Abschluss des Einzelvertrages keine Beschwerde erhoben werden kann (vgl. Art. 53 Abs. 6 revIVöB), da zu diesem Zeitpunkt kein neuer Zuschlag erfolgt, sondern lediglich eine privatrechtliche Handlung (Abschluss eines Einzelvertrages) vorgenommen wird. Dies gilt sicherlich solange, wie die Leistungsbestimmungen und sonstigen Regeln der Rahmenvertragsausschreibung aussagekräftig genug waren und der Leistungsgegenstand des Einzelvertrages unter die Leistungsdefinition der Ausschreibung subsumiert werden kann.

Mögliche Auswirkung auf die Praxis

Die revIVöB gibt mehr Sicherheit im Umgang mit Rahmenvertragsausschreibungen (insbesondere in solchen mit Mehrfachzuschlägen), indem einige Richtlinien vorgegeben werden.

So hält die Vereinbarung fest, dass für die Durchführung von Rahmenvertragsausschreibungen mit Mehrfachzuschlägen «zureichende Gründe» benötigt werden. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass der Gesetzgeber dies nicht als Standardverfahren ansieht. Es ist also möglich, dass in Zukunft eine interne Begründung verfasst werden muss, wenn dieses Vorgehen angewendet werden soll. In der Begründung sollte auch dargelegt werden, wie der Wettbewerb gewahrt werden kann und die Mehrfachbeauftragung nicht darauf abzielt, primär mit einem Wunschpartner zusammen arbeiten zu können.

Auch wird ein mögliches Abrufverfahren aufgezeigt, welches dem heute bekannten «Minitender» entspricht. Dabei wird allen Rahmenvertragspartnern die Möglichkeit geboten, ein konkretisiertes Angebot auf den ebenfalls konkretisierten Bedarf der Auftraggeberin einzureichen. «Eigene» Abrufverfahren ohne Einholung eines konkretisierten Angebots können, wenn sie transparent im Rahmenvertrag abgebildet wurden, noch immer vorgesehen werden.

Wird ein «Minitender» durchgeführt, so steht neu auch fest, dass die anzuwendenden Kriterien bereits vorgängig (in den Ausschreibungsunterlagen oder im Rahmenvertrag) definiert werden müssen.


Teilnahmebedingungen

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Vor der Prüfung der Eignungskriterien sowie der Zuschlagskriterien hat sich die Vergabestelle zu vergewissern, dass die Anbieter und ihre Subunternehmer die Teilnahmebedingungen erfüllen (Art. 26 IVöB).

Erläuterung

Teilnahmebedingungen
Unter Teilnahmebedingungen ist die Einhaltung der Bestimmungen über den Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Arbeitsbedingungen, die Lohngleichheit von Frauen und Männern und die Einhaltung des Umweltrechts zu verstehen. In Art. 12 IVöB werden diese Bedingungen aufgelistet und präzisiert. Die Bezahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen sowie die Tatsache, dass keine unzulässigen, den Wettbewerb beeinträchtigenden Vereinbarungen getroffen wurden, sind ebenfalls Teilnahmebedingungen im Sinne der IVöB (Art. 26 Abs. 1 IVöB). Schliesslich wird auch die Einhaltung der Melde- und Bewilligungspflichten gemäss dem Bundesgesetz gegen die Schwarzarbeit (BGSA), insbesondere im Bereich des Sozialversicherungs-, Ausländer- und Quellensteuerrechts als Teilnahmebedingung geprüft.

Vom Anbieter zu erbringende Nachweise
Unabhängig vom Vertragsgegenstand müssen die Anbieter und ihre Subunternehmer die Teilnahmebedingungen erfüllen und dies nachweisen. Die Nichteinhaltung der Teilnahmebedingungen kann Massnahmen gegen den Anbieter nach sich ziehen, wie den Ausschluss vom Verfahren, den Widerruf des Zuschlags, eine Geldstrafe oder den Ausschluss von künftigen öffentlichen Aufträgen (Art. 44 und 45 IVöB). Folglich muss der Auftraggeber die Einhaltung dieser Pflichten kontrollieren lassen können. Es ist dem Auftraggeber freigestellt, welche Erklärungen oder sonstigen Nachweise er von den Anbietern verlangt. Im Allgemeinen mindestens eine Erklärung auf einem Formular (Selbstdeklaration) erforderlich. Der Eintrag in ein Verzeichnis kann ein ausreichender Beweis sein. Die Rolle der Vergabebehörde besteht darin, von den Anbieter und möglichen Subunternehmern zu verlangen, dass sie die Einhaltung der Teilnahmebedingungen nachweisen. Es ist neu ausdrücklich vorgesehen, dass die geforderten Nachweise auch zu einem späteren Zeitpunkt im Ausschreibungsverfahren und nicht mehr unbedingt bei der Angebotseinreichung erbracht werden können (Art. 26 Abs. 3), spätestens aber vor dem Zuschlag.

Mögliche Auswirkungen auf die Praxis

Die Teilnahmebedingungen müssen in den Ausschreibungsunterlagen (Art. 36 Bst. c IVöB) sowie in der Liste mit Angaben und Unterlagen enthalten sein, die die Anbieter und ihre Subunternehmer in diesem Zusammenhang vorlegen müssen. Der Auftraggeber muss angeben, in welcher Phase des Verfahrens diese Informationen und Dokumente vorgelegt werden müssen.

Kanton Bern

Art. 7 IVöBV und der Anhang dazu konkretisieren die im Kanton Bern verlangten Nachweise. Neu muss namentlich für Unternehmen der Baubranche ein Nachweis des Informationssystems Allianz Bau (ISAB) eingereicht werden, sowie für Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden die vom Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann vorgeschriebene Lohngleichheitsanalyse. Statt der einzelnen Nachweise kann weiterhin ein vom Kanton digital ausgestelltes Zertifikat beigelegt werden.


Eignungskriterien

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Die revidierte IVöB enthält nun eine Bestimmung über Eignungskriterien (Art. 27 IVöB). Diese Bestimmung übernimmt im Wesentlichen den Inhalt der Vergaberichtlinien (VRöB), mit einigen Ergänzungen durch die Rechtsprechung.

Erläuterung

Objektive Kriterien, nötig und überprüfbar
Die Eignungskriterien müssen abschliessend definiert werden, entweder in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen. Sie müssen objektiv und wesentlich für die Erfüllung des Vertrags sein. Sie müssen vor allem überprüfbar sein. Der Auftraggeber muss daher angeben, welche Nachweise in Bezug auf die von ihm festgelegten Eignungskriterien erbracht werden müssen. Es ist neu vorgesehen, dass die erforderlichen Nachweise auch in einem späteren Stadium des Vergabeverfahrens und nicht mehr unbedingt bei der Angebotsabgabe erbracht werden können.

Art der Kriterien
Eignungskriterien sind in der Regel Kriterien, die sich auf die beruflichen, finanziellen, wirtschaftlichen, technischen und organisatorischen Fähigkeiten der Bieter und ihre Erfahrung beziehen. Artikel 27 Absatz 2 IVöB enthält keine abschliessende Aufzählung dieser Kriterien: der Auftraggeber kann sie frei bestimmen. Eignungskriterien müssen jedoch immer Kriterien sein, die sich auf die Bieter beziehen. Diese Kriterien dürfen auch den Kreis der Bieter nicht stärker einschränken, als es der Auftragsgegenstand rechtfertigt. Ferner darf der öffentliche Auftraggeber nicht verlangen, dass der Bieter bereits einen oder mehrere öffentliche Aufträge erhalten hat.

Verzeichnis der geeigneten Bieter
Die IVöB sieht vor, dass der Auftraggeber oder die nach dem Gesetz zuständige Behörde ein Verzeichnis der Bieter führen kann, die geeignet sind, öffentliche Aufträge zu erhalten (Art. 28 IVöB). Eine solches Verzeichnis erleichtert es dem Bieter, seine Eignung nachzuweisen.

Mögliche Auswirkungen auf die Praxis

Die Eignungskriterien sollten in der Ausschreibung oder in den Ausschreibungsunterlagen in gleicher Weise wie die Zuschlagskriterien festgelegt werden. Diese Kriterien stellen sicher, dass der Bieter über die erforderlichen Fähigkeiten zur Ausführung des Auftrags verfügt.

Dies steht im Einklang mit der neuen Vision einer qualitätsorientierten öffentlichen Beschaffung.


Zuschlagskriterien

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Art. 29 revIVöB in seiner exemplarischen und nicht abschliessenden Auflistung möglicher Vergabekriterien räumt dem Begriff der Qualität und der nachhaltigen Entwicklung einen hohen Stellenwert ein. Damit wird der Einfluss der Qualität des Angebots bei der Vergabeentscheidung verstärkt.

Erläuterung

Eine generelle Stärkung des Qualitäts- und nicht des Preiswettbewerbs wurde sowohl vom Bundesparlament als auch von den Kantonen gewünscht. Dieser grundlegende Wechsel sollte ebenso berücksichtigt werden wie die Möglichkeit, in Zukunft Kriterien der Nachhaltigkeit als Vergabekriterien aufzunehmen.

Wichtigste Änderungen

Zwei obligatorische Kriterien: Preis und Qualität
Wie beim Preis muss nun stets auch das Kriterium der Qualität berücksichtigt werden. Ziel ist es, einer qualitätsorientierten Beschaffungspraxis mehr Bedeutung beizumessen. Vergaben von standardisierten Dienstleistungen sind von dieser Pflicht nicht betroffen (Art. 29 Abs. 4 IVöB). Zusätzlich zu diesen beiden Kriterien kann die Vergabebehörde, wenn sie dies wünscht, weitere Vergabekriterien festlegen.

Plausibilität des Angebots
Die Plausibilität des Angebots kann als Kriterium für die Auftragsvergabe herangezogen werden. Der Auftraggeber kann daher das Angebot eines Anbieters, das den damit verbundenen Arbeitsaufwand erheblich unterschätzt und/oder die Schwierigkeit eines Projekts nicht erkennt, weniger gut benoten.

Nachhaltigkeit
Das Kriterium der Nachhaltigkeit in seinen drei Dimensionen (wirtschaftlich, ökologisch und sozial) ist nun vollständig in Art. 29 IVöB aufgenommen. Insbesondere ökologische Kriterien können sich nicht nur auf den Vertragsgegenstand, sondern auch auf die Herstellung, Verwendung und Entsorgung beziehen.

Vergabefremde Kriterien für Beschaffungen ausserhalb des Staatsvertragsbereichs
Die IVöB 2019 führt für den öffentlichen Auftraggeber neu die Möglichkeit ein, sogenannte "vergabefremde" Zuschlagskriterien bei einer öffentlichen Beschaffung zu berücksichtigen. Diese Kriterien sind in Art. 29 Abs. 2 aufgeführt. Der Auftraggeber kann ergänzend berücksichtigen, inwieweit der Anbieter Ausbildungsplätze für Lernende in der Grundausbildung, Arbeitsplätze für ältere Arbeitnehmende oder eine Wiedereingliederung für Langzeitarbeitslose anbietet. Es handelt sich dabei um soziale Kriterien, welche nur für Vergaben im Binnenmarktbereich angewendet werden können.

Weitere Informationen

Kanton Bern

Da in der IVöB wie auch im bernischen Recht auf die Aufnahme der so genannten «Preisniveauklausel» von Art. 29 Abs. 1 BöB 2019 verzichtet wurde, sind die Auftraggeber gehalten, den Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen auf andere, geeignete Weise Rechnung zu tragen und ihnen eine faire Chance auf einen Zuschlag zu ermöglichen (Art. 7 IVöBG).

Beispiele solcher Massnahmen sind die Aufteilung in Lose, die Festlegung angemessener Eignungskriterien (z.B. keine übertriebenen Anforderungen an die Unternehmensgrösse), das Zulassen von Bietergemeinschaften sowie die Berücksichtigung von Nachhaltigkeits- und Innovationskriterien.


Bietergemeinschaften und Subunternehmer

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Als Grundsatz in Art. 31 revIVöB gilt weiterhin, dass Subunternehmer und Bietergemeinschaften zuzulassen sind. Mehrfachbewerbungen von Subunternehmer und Mitgliedern von Bietergemeinschaften sind nur ausnahmsweise zulässig. Die charakteristische Leistung ist vom Anbieter selbst zu erbringen.

Erläuterung

Zulassung von Subunternehmer und Bietergemeinschaften
Die Zulassung von Subunternehmern und Bietergemeinschaften darf nicht ohne Not beschränkt werden, da die beiden Zusammenarbeitsformen zur Wettbewerbsförderung beitragen. Werden beide Zusammenarbeitsformen ausgeschlossen, ist dies zu begründen. Die Begründungspflicht entfällt, wenn eine der beiden Zusammenarbeitsformen zugelassen wird.

Mehrfachbewerbung kann zugelassen werden – expliziter Hinweis nötig
Die Vereinbarung nimmt explizit zum Thema der Mehrfachbewerbung Stellung. Eine Mehrfachbewerbung von Subunternehmern und Mitgliedern von Bietergemeinschaften ist nur möglich, wenn der Auftraggeber diese ausdrücklich zulässt. Unter diesen Umständen kann ein Subunternehmer oder Mitglied einer Bietergemeinschaft sich mit mehreren Anbietern darauf verständigen, ein gemeinsames Angebot einzureichen.

Diese Konstellation erhöht nämlich einerseits das Risiko, dass bspw. die Mehrfachbewerbung eines Spezialisten als Subunternehmer oder Mitglied einer Bietergemeinschaft diesem erlauben würde, steuernden Einfluss auf die Angebote der verschiedenen Anbieter zu nehmen und dadurch das Ergebnis der Ausschreibung zu beeinflussen.

Andererseits kann es je nach Marktverhältnissen unumgänglich sein, dass mehrere Anbieter den gleichen Subunternehmer beiziehen, insbesondere in hochspezialisierten Bereichen.

Wird in der Ausschreibung oder den Ausschreibungsunterlagen die Mehrfachbewerbung nicht explizit zugelassen, ist sie unzulässig. Eine Mehrfachbewerbung hat dann den Ausschluss aller Angebote zur Folge, an welchen dieser Anbieter beteiligt war.

Anbieter ist zur Erbringung der charakteristischen Leistung verpflichtet
Die Vereinbarung verpflichtet die Anbieter zur selbstständigen Erbringung der charakteristischen Leistung. Somit soll vermieden werden, dass ein Anbieter bloss «seinen Namen» und sein Haftungssubstrat offeriert, die wesentlichen oder Kern-Leistungen aber von den von ihm beigezogenen Subunternehmern erbracht werden.

Diese Bestimmung stellt in der Praxis eine Herausforderung dar, da es unklar bleibt, was unter dem Begriff der «charakteristischen Leistung» zu verstehen ist. Diese Frage wird sicherlich von der Rechtsprechung und Lehre noch zu klären sein.

Wer ist Subunternehmer?
Subunternehmer ist, wer im Auftrag des Zuschlagsempfängers einen Teil des Auftrags selbst erbringt und damit eine Hilfsperson des Zuschlagsempfängers gemäss Art. 101 des Obligationenrechts (OR) ist. Kein Subunternehmer, sondern blosser Lieferant ist, wer dem Zuschlagsempfänger nur einzelne Materialien oder Dienstleistungen liefert. Als Subunternehmer gelten auch Subunternehmer von Subunternehmern (und so weiter).

Auswirkungen auf die Praxis

Falls die Vergabestelle die Mehrfachbewerbung zulassen will, hat sie in den Ausschreibungsunterlagen einen expliziten Hinweis anzubringen. Das bedingt gute Marktkennnisse oder geeignete Marktanalysen.

Der Begriff «charakteristische Leistung» ist auslegungsbedürftig und stellt als solcher eine Herausforderung dar, mit der die Praxis konfrontiert sein wird und geeignete Lösungen finden muss. In wie weit die «charakteristische Leistung» in einer Ausschreibung der überwiegende Anteil der anzubietenden Leistung sein soll oder muss, wird sich in der Praxis entwickeln müssen. Diesbezüglich sind die Bedarfsstellen künftig gefordert, in der Zusammenstellung der anzubietenden Leistungen verträgliche Pakete zu schnüren, die eine Zuweisung der «charakteristischen Leistung» auf einen Anbieter ermöglichen.

Weitere Informationen

Kanton Bern

Im bernischen Recht ist vorgesehen, dass der Anbieter allfällige Subunternehmer im Angebot ausdrücklich bezeichnen muss (Art. 11 Abs. 1 IVöBV). Denn der Auftraggeber soll stets wissen, wer welche Teile des Auftrags ausführt, da auch die Subunternehmen die Arbeitsbedingungen und weitere Vorschriften einhalten müssen. Der Auftraggeber kann zudem vorsehen, dass der Anbieter die Subunternehmer nach der Angebotseingabe bezeichnen kann, oder die Nachweise für die Subunternehmer in der Form des kantonalen Zertifikats zu erbringen sind (Art. 11 Abs. 2 IVöBV).


Besonderheiten des Kantons

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Dialog

Das bernische Recht konkretisiert die Vorgaben zum Dialog und gibt die Mindestanzahl der Dialogpartner, Bestimmungen zur Dialogvereinbarung sowie zur Vertraulichkeit während des Verfahrens vor (Art. 8 IVöBV).

Da das Dialogverfahren den Anbietern einen erheblichen Mehraufwand verursachen kann, muss sich der Auftraggeber fragen, ob der Aufwand zu entschädigen ist. Im Falle einer Entschädigung sind die Höhe und Modalitäten im Einzelfall vom Auftraggeber zu bestimmen (Art. 10 Abs. 2 IVöBV). Er gibt diese in den Ausschreibungsunterlagen bekannt. Tut er dies nicht, gilt nach wie vor die Regel, dass keine Entschädigung geschuldet ist (Art. 10 Abs. 1 IVöBV).

Zuschlagskriterien

Da in der IVöB wie auch im bernischen Recht auf die Aufnahme der so genannten «Preisniveauklausel» von Art. 29 Abs. 1 BöB 2019 verzichtet wurde, sind die Auftraggeber gehalten, den Bedürfnissen und der Leistungsfähigkeit kleiner und mittlerer Unternehmen auf andere, geeignete Weise Rechnung zu tragen und ihnen eine faire Chance auf einen Zuschlag zu ermöglichen (Art. 7 IVöBG).

Beispiele solcher Massnahmen sind die Aufteilung in Lose, die Festlegung angemessener Eignungskriterien (z.B. keine übertriebenen Anforderungen an die Unternehmensgrösse), das Zulassen von Bietergemeinschaften sowie die Berücksichtigung von Nachhaltigkeits- und Innovationskriterien.

Subunternehmen

Im bernischen Recht ist vorgesehen, dass der Anbieter allfällige Subunternehmer im Angebot ausdrücklich bezeichnen muss (Art. 11 Abs. 1 IVöBV). Denn der Auftraggeber soll stets wissen, wer welche Teile des Auftrags ausführt, da auch die Subunternehmen die Arbeitsbedingungen und weitere Vorschriften einhalten müssen. Der Auftraggeber kann zudem vorsehen, dass der Anbieter die Subunternehmer nach der Angebotseingabe bezeichnen kann, oder die Nachweise für die Subunternehmer in der Form des kantonalen Zertifikats zu erbringen sind (Art. 11 Abs. 2 IVöBV).

Nachweise

Art. 7 IVöBV und der Anhang dazu konkretisieren die im Kanton Bern verlangten Nachweise. Neu muss namentlich für Unternehmen der Baubranche ein Nachweis des Informationssystems Allianz Bau (ISAB) eingereicht werden, sowie für Unternehmen ab 100 Mitarbeitenden die vom Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann vorgeschriebene Lohngleichheitsanalyse. Statt der einzelnen Nachweise kann weiterhin ein vom Kanton digital ausgestelltes Zertifikat beigelegt werden.

Inhalt der Ausschreibungsunterlagen

Da der Auftraggeber sämtliche Modalitäten des Vergabeverfahrens in der Ausschreibung bekannt zu geben hat, sieht das bernische Recht für die so genannte Frage-Antwort-Phase die wichtigsten Bedingungen vor. Demnach bestimmt der Auftraggeber in den Ausschreibungsunterlagen, bis zu welchem Zeitpunkt Fragen entgegengenommen werden. Anschliessend werden die eingegangenen Fragen anonymisiert und diese mit den entsprechenden Antworten innert wenigen Arbeitstagen nach Ablauf der Einreichungsfrist allen Anbietern gleichzeitig zur Verfügung gestellt (Art. 9 IVöBV).